Im September 2014 ging das VEB Presswerk Ottendorf-Okrilla (kurz PWO) in Flammen auf. Das war bereits der zweite Brand innerhalb eines Jahres auf diesem Lost Place in Sachsen. Bereits im März brannte der ehemalige Betriebskindergarten, wobei die Schäden marginal waren. Doch diesmal konnten über 80 Feuerwehrmänner nicht verhindern, dass auf dem Gelände der Industriebrache zwei Gebäude vollständig abbrannten und ein Drittes schwer beschädigt wurde. Laut der Sächsischen Zeitung ist unbekannt, ob es sich bei diesem Unglück um Brandstiftung handelte.
Bei näherer Betrachtung des Werdegangs dieses Objekts wird deutlich, dass es hier schon immer ein stetes Auf und Ab gegeben hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten sich auf dem Gelände an der Dresdner Straße die Glashüttenwerke Heinrich Plötz & Co angesiedelt. Zu Beginn des ersten Weltkrieges ging das Unternehmen jedoch in Konkurs und wurde günstig durch die Glasfabrik AG aus Brockwitz übernommen. In den Folgejahren konnte man am Standort expandieren und errichtete bspw. einen Schmelzofen. Doch mit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 kam ein jähes Ende und das Werk wurde geschlossen. Nach dem Ende der Krise fand sich ein neuer, finanzkräftiger Investor. So siedelte sich die Emero Bremsbelag GmbH in den 1930er Jahren an und war bis zum Kriegsende Zulieferer von Asbest-Bremsbelägen für die Rüstungsindustrie. Im Jahr 1945 erfolgte die Demontage des Betriebes durch die Siegermächte.
Relativ schnell baute man die Produktionshallen nach dem Krieg um und produzierte ab dem Sommer 1949 unter dem Namen VEB Presswerk Ottendorf-Okrilla technische Bauteile für die Elektroindustrie. In den Folgejahren wuchs der VEB kontinuierlich und es entstanden u.a. eine Pressereihalle mit einem 12t Laufkran (1960/ 61), eine Spritzerei- und Endbearbeitungshalle (1961/ 62), ein Kühlturm und ein Grundmateriallager (1964/ 65) sowie eine Blasereihalle (1965/ 66). Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die ausgestoßene Produktionsmenge bereits vervierfacht werden und die Zahl der Mitarbeiter stieg auf 550. 1966 betrug der Jahresproduktionswert mehr als 33 Millionen Mark.
Bis 1970 gehörte das PWO zur Vereinigung Volkseigener Betriebe Halle (VVO). Mit deren Auflösung wurde der VEB in ein Kombinat mit insgesamt 15 Betriebsteilen und Produktionsstätten eingegliedert.
Im Jahr 1979 war das VEB Presswerk Ottendorf-Okrilla zu einem Großbetrieb mit 2.400 Beschäftigten angewachsen und über 10 Betriebsstätten verteilt. Der Jahresproduktionswert hatte sich verzehnfacht und betrug nunmehr 356 Millionen Mark. Allein 800 Mitarbeiter wurden in Ottendorf-Okrilla beschäftigt. Damit war das PWO das größte plastverarbeitende Unternehmen der DDR. Zu diesem Zeitpunkt wurden jährlich 6.700 Tonnen Polystyrol, 4.700 Tonnen Polyethylen und 2.700 Tonnen Polypropylen verarbeitet. Auch in den Folgejahren wurde weiter investiert und es entstanden eine Betriebsschule (1978) und eine Recyclinganlage (1984). Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung und der Tatsache, dass zahlreiche Produkte des PWO exportiert wurden und so Devisen ins Land kamen, entstand bereits frühzeitig ein Luftschutzbunker unter den Werkhallen (1960).
Die Produktplatte des PWO war breit gefächert und umfasste u.a. WC-Sitze und Toilettenpapierhalter, Wäschekörbe, Wannen und Bottiche, Badschränke, Kleiderhaken (EVP 1,20 M) und Untersetzer zum 40. Jahrestag der DDR sowie Ketchup-Spender der Marke "Famos".
Mit der Wende wurde der Betrieb in 2 Teile zerschlagen und durch die Treuhand verkauft. Ein Teil ging an die WERIT Kunststoffwerke W. Schneider GmbH & Co.KG, die bis heute am Standort produziert und sich rühmt, "als eine der ersten Industriefirmen ... eine Niederlassung in den neuen Bundesländern" eröffnet zu haben (Quelle: WERIT).
Der andere Teil, der die heutige Industriebrache umfasst, wurde von der Kunstofftechnik F.u.H. Riesselmann GmbH übernommen. Im Jahr 2001 erfolgte der Verkauf an die Zarnack-Gruppe und die ansässige Firma hieß seitdem Kunststofftechnik Sachsen GmbH & Co.KG (kurz KTSN). Im Jahr 2004 endete die 50 jährige, traditionsreiche Geschichte der Kunststoffverarbeitung in Ottendorf-Okrilla. Die KTSN verlagerte ihren Produktionsstandort nach Pirna und beschwichtigte die Gemeinde damit, dass der Standort Ottendorf-Okrilla nicht "aussterben" wird. Doch diesen Worten folgten keine Taten. Seitdem findet man in der Dresdner Straße nur noch vermüllte Fabrikhallen vor.
Im Jahr 2007 kam es zu ersten Einbrüchen und bereits zu dieser Zeit wurde fleißig gezündelt. Im selben Jahr beschädigte der Orkan Kyrill die Dächer der leerstehenden Gebäude schwer, so dass der Verfall durch Wassereinbruch beschleunigte wurde. Wie man es bereits aus anderen Lost Places zur Genüge kennt, sind frühzeitig Schrottdiebe vor Ort gewesen und zogen mit Rohrsystemen, Kabeln und Leitungen von dannen. Mittlerweile ist die Industriebrache völlig heruntergekommen. Einige Gebäudeteile sind einsturzgefährdet, überall liegt Haus- und Grobmüll sowie Bauschutt herum und auf dem Gelände sind bereits stattliche Bäume gewachsen. Sie haben die ehemaligen Versorgungswege nahezu vollständig zugewuchert. Vom Ekelfaktor kommt das Gelände noch nicht ganz an das ehemalige NVA Hotel in Frauenwald heran, ist aber auf dem besten Weg dorthin.
Quellen und weitere Links
- Umfangreiche Dokumentation eines Zeitzeugen
- Historisches Coswig
- Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR
- Weitere Bilder aus etwas besseren Lost Place Zeiten: Galerie 1, Galerie 2
- Produktpalette bei den Museologinnen
Hey ich habe geschaut aber ich finde die Adresse nicht.
LG Lostplace_Scheffler_Urbex
Danke @Lostplace_Scheffler_Urbex für deinen Kommentar und dein Interesse. Adressen veröffentliche ich nicht, da es gegen die Urbexer Regeln verstößt. Ich verlagere die Kommunikation mal auf private Ebene :)
Haben es Gestern durch reinen Zufall entdeckt und auch nur deswegen weil wir uns verfahren haben und zu einer Ganz anderen Location wollten aber es hat sich Definitiv gelohnt es alles anzuschauen.