Ritt auf der wilden Chemnitz

Die Chemnitz entspringt im Erzgebirge, fließt durch die gleichnamige Stadt und mündet nach 76,5km in die Zwickauer Mulde. Im Norden von Chemniz findest Du als fortgeschrittener Wildwasserpaddler einen 5 Kilometer lange Abschnitt, der Dich mit spannenden Stellen fordert. Die Befahrung wird besonders reizvoll, wenn Du die einen Kilometer lange verblockte Strecke bei Schweizerthal mehrfach befährst und zur Abrundung des Tages bis zum Chemiewerk "Zschimmer & Schwarz" ballerst. So nimmst Du noch die Kernstelle unter einer alten Eisenbahnbrücke mit.

An einem verregneten Samstagmorgen im Februar sind Kathi, Jürgen und ich aufgebrochen und haben unsere persönliche Erstbefahrung hingelegt. Der Pegel Göritzhain zeigt 15m³, was für das erste Mal passt. Auf Empfehlung von Freunden wollen wir allerdings wesentlich weiter paddeln. Als Einstieg wählen wir Markersdorf-Taura - das ist der Standard - und wollen die Fahrt kurz hinter der Mündung mit der Zwickauer Mulde in Wechselburg beenden. Auf uns warten damit gut 15km Strecke mit knapp 80m Höhenverlust.

Gegen 8.30 Uhr starten wir mit zwei Autos in Jena und düsen auf engen und kurvenreichen Straßen zum Ausstieg. Dort angekommen, ziehen wir uns bei kaltem Wind und 4°C um. Dann wird es spannend. Jürgen hat von einem Freund zwei Koordinaten von Stellen erhalten, die wir uns anschauen sollen. Das ist zum einen beim Chemiewerk und zum anderen der Abschnitt bei Schweizerthal. Wichtig ist hier vor allem, dass Du nach verklemmten Bäumen Ausschau hältst. Während unserer Fahrt durch das enge Tal der Chemnitz kommen wir an vielen verfallenen Fabriken und zerrockten Wohnhäusern vorbei. An einem grauen Tag wie diesem kein schöner Anblick, aber ohne Frage ein Paradies für Lost Place Fans.

Nach zahlreichen Kurven öffnet sich das Tal vor uns und mitten im Nirgendwo taucht das monströse Chemiewerk auf. Ob die Nähe zum Fluss die Standortwahl beeinflusst hat? Fette Abwasserrohre können wir keine aufspüren, dafür eine verfallene Eisenbahnbrücke. Unter ihr entdecken wir die köstliche Kernstelle. Die Durchfahrt rechts ist durch viel hölzernen Unrat versperrt. Links musst Du bei diesem Wasserstand zunächst um ein paar Steine zirkeln. Hast Du das geschafft, kannst Du wunderbar durch ein welliges Loch ballern und Dich auf ein Prallposter schmeißen und anschließend ins Kehrwasser schnippen. Feine Stelle, schönes Wildwasser, absolut zuschauertauglich und obendrein steht hier noch ein feiner Kletterfelsen mit Haken drin. Ganz am Rande bemerkt: auf Erzbloc findest Du als Boulderer ein paar super ausgearbeitete Topos.

Wir fahren nach ausgiebiger Besichtigung weiter, machen immer mal 'nen langen Hals vom Auto aus und entdecken eine große Holzverblockung. Fünf Stämme und eine fette Wurzel liegen so ungünstig, dass der gesamte Fluss versperrt ist. Wir prägen uns die Stelle gut ein und finden uns mit Umtragen ab.

Freudig erregt erreichen wir eine gute Parkmöglichkeit neben einem Spielplatz, machen uns fix fertig und können endlich kurz vor 11 Uhr die Boote zu Wasser lassen. Zunächst geht es gemütlich dahin bis zu einem Wehr. Bei unserem Wasserstand können wir es rechts befahren. Nach ein paar hundert Metern nimmt auf Höhe Schweizerthal die Verblockung wunderbar zu. Hier verbringen wir viel Zeit, boofen und hüpfen von Stein zu Stein. Kurz vor dem Ende dieses Abschnitts schießt der Fluss um eine Linkskurve. Die Sicht ist stark eingeschränkt. Kathi steigt aus und entdeckt in der Hauptströmung einen quer verklemmten Baumstamm. Kein Durchkommen bei 15m³. Wir steigen allesamt aus und beraten über eine enge Durchfahrt, die durch zwei stoppende Walzen etwas schwieriger ist. Doch absolut machbar: ich sichere ab, Jürgen und Kathi meistern die Stelle souverän und am Ende darf auch ich den Ritt wagen.

Zu keiner Zeit langweilig schießen wir weiter der Chemnitz hinab und genießen die vielen Steine, die uns zu S-Kurven und Boofs einladen. Vor ein paar Tagen gab es hier 25m³ (genialer Pegel), so dass hier ordentlich Müll in den Kehrwässern treibt und am Ufer liegt. Nach viel Spielerei inklusive Kerzeln und Surfen erreichen wir die Kernstelle unter der Eisenbahnbrücke. Ich ballere eins, zwei, fix durch und sichere anschließend ab. Kathi und Jürgens Linie ist ebenfalls souverän und alle nehmen fein das geplante Prallposter. Ein Serbe, der als LKW-Fahrer ein idyllisches Wochenende am Chemiewerk verbringt, lässt einen Like da.

Dann gelangen wir zur Totalverblockung. Jürgen hat die Säge griffbereit und wir versuchen unser Glück, das Kuddelmuddel aufzulösen. Doch das Wasser ist zu tief, um an einer günstigen Stelle mit gutem Stand zu sägen. Also fixieren wir einen Wurfsack an der Baumspitze und traversieren oberhalb eines netten kleinen Katarakts zum gegenüberliegenden Ufer. Dort bauen wir einen Flaschenzug auf. Als Material verwenden wir:

  • 2 zusammengeknüpfte Wurfsäcke
  • eine Bandschlinge mit Karabiner für die Seilrolle
  • eine weitere Bandschlinge und Karabiner für eine lange Prusikschnüre
  • eine kurze Prusikschnüre

Dank der Prusikschnüren können wir das Seil immer weiter spannen und den Baum ordentlich biegen. Leider ist das Holz sacknass und null brüchig. Die dicke Wurzel, die oben am anderen Ende auf dem Stamm sitzt, bewegt sich nur minimal. Letztendlich tut sich nichts und so brechen wir nach 45m Bastelei die Sache ab. Hat trotzdem Spaß gemacht, da wir ein paar nette Techniken geübt haben.

Schnell umtragen wir das Hindernis und nehmen unsere Fahrt wieder auf. Nach einer Weile wird die Chemnutz ruhiger und die Zahl der unbefahrbaren Wehre nimmt zu. Bei einem Wehr wünschen wir uns sehr, dass das Schott weiter offen stünde, so dass wir den fetten Schwall, der sich dahinter ergießt, herunterschießen könnten. Leider ist es nicht an den und wir müssen traurig am rechten Ufer das Wehr hinabrutschen. Nach der Mündung in die Mulde ist das Wasser vollkommen ruhig. So langsam haben wir uns aber auch abgearbeitet und sind verfroren. Gegen 15 Uhr erreichen wir den Parkplatz, beladen meine Karre und initiieren die Heimreise.

Fazit: genialer Tag, starke Paddler, feiner Bach, guter Pegel. Unter 15m³ eher nö. Für unsere „Erstbefahrung“ genau richtig. Das nächste Mal darf es gerne 20m³ haben. Für fortgeschrittene Anfänger ist der Bach wunderbar geeignet, mit der Option, die Kernstelle unter der Brücke auszulassen.

0 Kommentare für "Ritt auf der wilden Chemnitz"Schreibe Deinen

Aktuell gibt es noch keinen Kommentar :( Schreibe Deinen!

Kommentar dalassen

Dein Kommentar wird redaktionell geprüft und alsbald freigeschalten.