Im Jahr 2012 besuchten wir das erste Mal Mallorca. Damals konzentrierten wir uns auf die zahlreichen Lost Places, die die Insel zu bieten hat und verbrachten so die meiste Zeit in verfallenen Militäreinrichtungen über und unter Tage. Ganz anders sollte sich unser diesjähriger, einwöchiger Besuch auf der Insel gestalten. Wir bezogen in einer herrlichen Finca in Port de Sóller Quartier und erkundeten von hier aus die umliegenden Buchten, Barrancos und Berge der Serra de Tramuntana.
Während unserer Tagestouren erhaschten wir immer wieder einen Blick auf den nahe gelegenen Puig de Major (1.445m). Leider ist der höchste Berg Mallorcas militärisches Sperrgebiet und darf nicht bestiegen werden. Doch in seiner direkten Nachbarschaft befindet sich der Puig de Massanella. Mit seinen 1.364m ist er der zweithöchste Berg der Insel, uneingeschränkt begehbar und damit ein begehrtes Wanderziel.
Die Massanella ist kein anspruchsvoller oder landschaftlich herausragender Berg. In einigen Führern liest man etwas von "nahezu unberührten Landschaften" und "bizarren Felsformationen". Auch werden die Aufstiegsrouten teilweise reißerisch als besonders anspruchsvoll und fordernd beschrieben. Sicherlich ist es sinnvoll, mit solchen Beschreibungen die Spaziergänger in Flip-Flops und Sandaletten von diesem Berg fern zu halten, aber Ursprünglichkeit, Einsamkeit und Abenteuer wird man hier nicht oder nur sehr eingeschränkt finden. An schönen Tagen erklimmen oftmals Dutzende Touristen den Gipfel. Nicht zu verachten sind allerdings die Rund- und Tiefblicke. So sieht man von der Massanella nicht nur den nördlichsten Punkt Mallorcas "Cap Formentor" (grandioser Ausflug), sondern kann auch Ibiza und Menorca am Horizont ausmachen.
Ausschlaggebend für meine Besteigung im Alleingang war letztendlich der schöne, alte Geocache "El Techo del Mallorca" (2006, D3,5/ T4,5). Am Vorabend unseres letzten Urlaubstages machte ich mich an die Planung. Die meisten Wanderer steigen über die östlichen Routen auf und müssen das Gelände der Finca "Coma Freda" passieren. Das kostet sie pro Person 6 Euro Wegzoll. Um es ruhiger und "preiswerter" zu haben, blieben mir die weniger begangenen Pfade, die am Embassament de Cuber beginnen und über den südwestlichen Grat führen. Dieser im Gipfelbereich steile Aufstieg über scharfkantige Blöcke ist eine der "schwereren" Aufstiege und sollte die meisten Flip-Flop Geher abschrecken.
Um von Port de Sóller zum Ausgangspunkt der Tour, dem Embassament de Cuber, zu gelangen, blieb mir alleinig die Buslinie 354. Für mich bot sich die Haltestelle "Monument" an und so stand ich pünktlich 8.30 Uhr bereit. Irgendwie hatte ich schon während der Planung ein ungutes Gefühl, was die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel betraf. Mein Gefühl sollte sich bestätigen und so stand ich um 9 Uhr immer noch an der Haltestelle. Während der halben Stunde Wartezeit an der unschönen, viel befahrenen Straße hatte ich mir schon überlegt, wie ich noch nach Cuber gelangen könnte. Zu diesem Zeitpunkt erschien es mir als sehr reizvoll, zu Fuß über die Schlucht von Biniaraix aufzusteigen - und so nahm diese lange Tour ihren Lauf. Der Reiz begründete sich für mich wie folgt:
- Besteigung der Massanella vom Meeresniveau aus,
- lange und ausdauernde Tour ohne Verwendung von Fahrzeugen (zumindest im Aufstieg),
- bis zu 7 weitere Geocaches entlang der Route, u.a. ein schwerer Rätsel-Cache (D5) und der älteste Cache der Insel (aus dem Jahr 2002).
Zunächst folgte ich der Straßenbahnlinie hinein ins Zentrum Sóllers, hielt mich dann nordöstlich und gelangte so zum beschaulichen Dörfchen Biniaraix (ca. 100m über NN). Die Straßen sind im Dörfchen sehr eng und steil. Parken ist nahezu unmöglich und wenden eine Herausforderung. Ich passierte die schöne Kirche und entdeckte eine gemütliche Bar, der ich gern bei meiner Rückkehr einen Besuch abstatten wollte. Am Ende der Ortschaft bog ich nach rechts auf den GR-221.Die nun folgenden 4km und gut 600Hm sind wohl die schönsten und spannendsten der gesamten Wanderung. Die Schlucht von Biniaraix ist ein uralter Pilgerweg, der größtenteils mit Natursteinen gepflastert ist und entlang wilder Felsen und Olivenhaine führt. Die Tiefblicke sind atemberaubend und nach Regenperioden ergießt sich ein hoher Wasserfall in die Schlucht. Außerdem verbirgt sich auf dieser Strecke u.a. der älteste Geocache der Insel "El Barranc de Biniaraix" (2002, D3/ T3).
Nach der phänomenalen Schlucht folgte ein etwas zäher Wegabschnitt bis zum Embassament de Cuber. Der schmale Pilgerweg ging in eine breitere, sich in einigen Kehren windende Forststraße über, die ich auf schattigen Waldwegen abkürzen konnte. Als ersten Pausenplatz boten sich mir zwei herrliche Aussichtsfelsen an, entweder direkt über der Schlucht (GC4RW09) oder beim Coll de L'Ofre (GC49XC6). Die Chance auf Ruhe wollte ich nutzen, denn die kommenden vier Kilometer würde ich definitiv nicht allein sein. An der Ma-10 oberhalb des Stausee werden nämlich scharenweise Touristen ausgekippt, die sich dann orientierungslos in der Gegend verlustieren. Selbst der Geocache GC40MWR mag da die Laune nicht heben, denn hier durfte ich Ewigkeiten - ohne nützlichen Hinweis - auf dem Präsentierteller suchen.
Der Stausee selbst bot mir ein trauriges Schauspiel. Als ich vorbei lief, trabte eine abgemagerte Kuh entlang des Ufers. Der Pegel war extrem niedrig. Cuber diente früher, als größter Stausee der Insel - gemeinsam mit dem etwas weiter nördlich gelegenen Embassament des Gorg Blau, der Trinkwasserversorgung des Gemeindebezirks von Palma de Mallorca. Da die Seen schon lange nicht mehr den Bedarf der Landwirtschaft, der Industrie, der Bewässerung der Golfplätze und der Versorgung der Urlauber decken können, wurden vermehrt Meerwasserentsalzungsanlagen errichtet.
Nachdem ich die Ma-10 und den Parkplatz passiert hatte, folgte ich weiterhin dem GR-221 entlang des "Canal des Embassaments". Dieser Kanal liefert Cuber Frischwasser, welches ich nutzte, um mich etwas abzukühlen. Nebenbei bestaunte ich entlang des Weges einen imposanten Felsenbaum (GC4CA0C) und verließ bald darauf die Trasse des Kanals durch niedriges, schattiges Gehölz. Bei Kilometer 13,6 (Wegpunkt 11) musste ich nach einem kurzen Abstieg nach links abbiegen. Wenig später hatte ich die Möglichkeit, den letzten Cache vor der Massanella an der "Font des Prat" zu suchen. Hier verschnaufte ich erneut, bevor ich den Gipfelsturm antrat.
Ich folgte noch für ca. 3,2km dem GR-221 und überwand weitere 430Hm. Beim Wegpunkt 13 ließ ich den Weitwanderweg hinter mir und folgte einem gut sichtbaren Trampelpfad. Auf der Karte ist er als "Via ferrata" bezeichnet, wobei ich hier keinerlei Eisen vorfand, d.h. es handelt sich definitiv nicht um einen versicherten Klettersteig. Der Pfad hielt die Höhe und führte zu einem markanten Einstiegspunkt in den kompakten Fels. Ab hier wurde die Route wieder spannend und etwas luftiger. Die nächsten 80Hm kraxelte ich entlang des einfachen Südwestgrats. Das Gestein war herrlich zerklüftet und griffig. Während des Aufstiegs öffnete sich mir ein grandioses Panorama und ich wurde für den langen Anmarsch belohnt. Leider hingen die Wolken tief und die Sicht war diesig, so dass ich bei Weitem nicht so viel entdecken konnte, wie es mir versprochen wurde :)
Am Ende des Grats flachte das Gelände abrupt ab und ich befand mich auf dem langen Rücken der Massanella. Ich passierte den etwas niedrigeren Südgipfel und sah den mit Touristenmassen bepackten Hauptgipfel. Doch auch dies schreckte mich nicht ab. Mit großen Schritten legte ich die letzten 500m auf dem Karstplateau zurück, bahnte mir den Weg durch die langsameren Wandergruppen und stand letztendlich am höchsten Punkt der Massanella.
In meinem Rucksack wartete ein leckeres Mittagessen auf mich. In der Nähe eines tiefen Karstloches ließ ich mich an einer ruhigeren, exponierten Stelle nieder, genoss die Sonne, mein Essen und löst ganz nebenbei die Aufgaben für den kurzen, aber ehrwürdigen Multi-Cache. Kurz bevor ich aufbrach, kam ich mit einem netten Paar ins Gespräch und wir plauderten eine ganze Weile angeregt und schossen für uns gegenseitig Photos. Langsam aber sicher hüllte sich der Gipfel in Wolken und ich begann sicherheitshalber mit dem langen Abstieg.
Zum Glück hatte ich leichte Schuhe im Gepäck, denn der Rückweg zog sich und meine schweren Bergschuhe würden meine Füße malträtieren. So war ich nicht unglücklich, wieder am Parkplatz an der Ma-10 anzukommen. Dort entdeckte ich Wanderer, die gerade ihr Auto für die Abfahrt rüsteten und sprach sie ungeniert an, in welche Richtung sie denn fahren würden. Das Glück war mir hold und ich konnte mit den beiden freundlichen Deutschen bis nach Fornalutx mitfahren. Das ersparte mir die lange Wartezeit auf die gefürchtete Linie 354 sowie die Aussicht auf Plattfüße. Vom schönen Dörfchen Fornalutx waren es nochmals gute 5km bis zu unserer Finca. Die Bar in Biniaraix hatte ich mittlerweile nicht mehr auf dem Schirm, sondern steuerte den nächsten Supermarkt an. Dort versorgte ich mich - hungrig wie ich war - mit ein paar süßen, ziemlich eckligen Teilchen und gelangte schlussendlich gegen 19 Uhr zur Finca.
Fazit
Es ist absolut fraglich, ob man mein Erlebnis mit gut 36km (bestehend aus An- und Abmarsch sowie Tour), 1.660Hm im Aufstieg und knapp 950Hm im Abstieg in dieser Form absolvieren muss. Für den Barranc de Biniaraix sollte man sich lieber den gesamten Tag Zeit nehmen und ihn als Rundtour begehen. Den Abschnitt rund um den Stausee Cuber kann man sich getrost sparen. Die Besteigung der Massanella über den Südwestgrat ist durchaus eine lohnende Unternehmung, bei der kurzzeitig alpine Gefühle aufkommen. Besonders überrascht haben mich die netten, freundlichen und hilfsbereiten Menschen, mit denen ich entlang der Route in Kontakt kam. Wer über ausreichend Verpflegung sowie ordentliches Schuhwerk und Trittsicherheit verfügt, kann dieser Tour - nicht zuletzt als Konditionstraining und kompaktiertes Sightseeing - sicherlich einiges abgewinnen.
Quellen und Links
- Wikipedia Eintrag über Cuber
- Informationen zur Ökologie auf Mallorca
- Informationen zum Weitwanderweg GR-221
- Beschreibung einer Rundtour durch den Barranc de Biniaraix
Super Bericht mit ganz tollen Bildern. Da geht man die Tour im inneren nochmal komplett ab. Wenn ich darf würde ich den Link gern in die Cachebeschreibung setzen.
Gruß aus der Eifel
Mud-Max
Danke Guido für deinen bestärkenden Kommentar :) Klar, wenn du magst, fänd ich das großartig, dass der Beitrag in deiner Cache Beschreibung zur Massanella verlinkt wird. Ebenso Grüße an die Eifel aus dem Saaletal.