Lost Place: VEB Sprengstoffwerk I

"Es ist Schön(ebeck) an der Elbe." Mit diesem wortgewaltigem Slogan werben die Frühaufsteher Schönebecks für ... ähm, was genau? An der Elbe ist es schön, Schönebeck liegt an der Elbe, also ist es auch in Schönebeck schön? Wahnsinn!

Doch das war nicht immer so:

  • In den Jahren 1576 bis 1664 war man damit beschäftigt, Leute zu verurteilen und hinzurichten, weil sie (angeblich) magische Kräfte besaßen. Über 30 solcher Hexenprozesse haben die pflichtbewussten Archivare der Stadt dokumentiert.
  • Während des Zweiten Weltkrieges bestand in der Barbyer Straße das Konzentrationslager "Schönebeck I", was ein Außenlager des KZ Buchenwalds darstellte. Die 1.500 bis 1.800 Häftlinge arbeiteten in der Rüstungsindustrie und fertigten bspw. Federbeine für Junkersflugzeuge. Kurz vor Kriegsende wurden auch elektronische Bauteile für die V2 hergestellt.
  • Zu Zeiten der DDR arbeitete man lieber im Untergrund und mit weniger - offensichtlich - aggressiven Methoden. Um den Einsturz eines Salzbergwerks zu verhindern, wurden einige Hohlräume mit toxischem und krebsverursachendem Sondermüll der Buna-Werke vollgestopft. Dabei handelte es sich um DCP (1,2-Dichlorpropan), was sich im Grundwasser, Sedimenten und Böden anreichert. 2006 wurden die Schadstoffe allerdings ausgefördert und "abschließend verwahrt".

Auch wirtschaftlich war in der Stadt einiges los. So wurde 1829 von Sellier und Bellot eine Zündhütchenfabrik eröffnet, um u.a. die preußische Armee mit Zündmitteln zu versorgen. Bis in die 1870er Jahre wurde die Produktpalette stetig ausgebaut. Neben Zündhütchen wurden auch Flobert und Revolvermunition sowie Jagdpatronenhülsen hergestellt. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde das Werk enteignet und zu Beginn der 1950er Jahre in das VEB Sprengstoffwerk I eingegliedert. Leider lässt sich über die nachfolgenden Jahrzehnte relativ wenige Informationen finden, wobei einige Bibliotheken so rare Werke wie "30 Jahre DDR, VEB Sprengstoffwerk Schönebeck; zuverlässiger Partner der Volkswirtschaft" führen.

Die Herstellung von Munition erfolgte im Produktionsbereich IV. Eine Quelle behauptet, dass neben o.g. Munition auch Handgranaten, Schießpulver, TNT und andere Initialsprengstoffe in Schönebeck produziert worden. Am 4. Februar 1976 soll im Produktionsbereich der "Nitroaromatenanlage" ein Aggregat explodiert sein, wodurch zwei Betriebsangehörige tödlich und zwei weitere schwer verletzt worden sind.

Nach der Wende wurde der Betrieb in die "Anhaltinische Chemische Fabriken GmbH" umbenannt. Aus einem Betriebsteil wurde die SK Jagd-u. Sportmunitions GmbH gegründet. Dieses Unternehmen ging Ende der 1990er Jahre in einem skandinavischen Konzern auf und firmiert aktuell unter dem Namen Lapua GmbH. Das Unternehmen bezeichnet sich als den ältesten deutschen und größten Produzent von Kleinkalibermunition.

Ein Teil des alten Sprengstoffwerks ist noch vorhanden und kann unter Führung des Geocaches "2048 - Freiheit ist alles! (LP)" bestaunt werden. Der Lost Place im Herzen Sachsen-Anhalts ist erstaunlicherweise nach wie vor vorhanden und erfreut sich mit seinen knapp 450 Favoritenpunkten großer Beliebtheit.

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